Scharf und Fichte

Tipps & Tricks rund um die Drechselei

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herosseveros
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von herosseveros »

Hallo Herfried
Bei solchen Langholzarbeiten bist du bei den Einstichen genauso im Querholzbereich unterwegs wie bei einer Schale. Ein Beispiel, wenn du einen Stechbeitel nimmst und an der Hirnholzseite linear quer zur Faser arbeitest, wird das nichts. Fürst du den Beitel leicht diagonal, dann schneidet er. Bei einem Meisel ist das nicht anders. Wenn man einen schräg angeschliffenen Meisel, mit einem leichten Radius anschleift, hat man beim Schnitt schnell ein Gefühl dafür. Im Grunde ist das dann nichts anderes als dieser russische Meisel.
Gruß Peter
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drmariod
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von drmariod »

Das ist doch Quatsch… bei Querholz ändert sich der Faserverlauf Sinusförmig, also 2 mal pro Umdrehung… Nach deiner Beschreibung hast du bei einer Querholzschale also zwei mal die Situation „da wird das nix“…

Wo hingegen der Faserverlauf beim Langholz gleich bleibt, da sind auch russische Meißel nicht anders…

Grüße
Der Mario
"Etwas nicht zu können ist kein Grund es nicht zu tun..."
(Alf)
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da_Joe
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Re: Scharf und Fichte (-> Beweisfoto )

Beitrag von da_Joe »

Hallo liebe Rundmacher (*1),

gestern, Samstag der 19. Februar im Jahre des Herrn 2022, oder nach moderner Zeitrechnung im dritten Jahr nach der Ankunft des Virus, .... jedenfalls am Nachmittag, war es endlich soweit. Der Günter hatte sich sofort gemeldet und mein Angebot sehr gerne (zumindest hat er das so beteuert) angenommen - alle Verlautbarungen im Vorfeld gelten hiermit als lang vergangene Frühgeschichte.

Ich hab Alles, was ich für nützlich und sinnvoll für das grosse Vorhaben erachtet habe, ins Auto gepackt - vor dem Zurückräumen werde ich wohl die Gelegenheit nutzen und ein paar Ablage-Systeme (Röhren, Futter) grundreinigen, bietet sich ja grad an. Leider wohnt der Günter nicht mehr auf seiner Alpe, wäre eine tolle Location (das sagt man heut so!) gewesen - und übrigens nur die Hälfte der Wegstrecke bzw. an Entfernung. Gut, dann muss die bekannte Katze eben zwei mal hüpfen (vlg. Katzensprung).

Nach freundlicher Begrüssung durch das Gastgeber-Paar haben wir sofort mein Zeug in den Keller geschleppt. Bei der ersten Besichtigung dieser heiligen (Schreibweise!) Hallen war mir sofort klar: Die Wahl des Ausrichtungsortes (nicht wie bei WM oder Olympia) war so absolut richtig: Meine Kellerverlies verhält sich zu den genannten Hallen von Günter flächenmässig ungefähr so wie das Saarland zu Südamerika (der ganze Kontinent!). Übrigens hat sich später heraus gestellt, dass die einzige Engstelle der Platz zwischen Drehbank und SpäneSchutzVorhang ist. Für zwei Personen - der Hausherr und der Dicke-Grosse - war es da etwas eng, was aber kaum störte und das Vorhaben nicht beeinträchtigte. Mein Kellereck hätte für zwei Personen natürlich keine versteckten Engstellen, es ist bei sowas eine einzige Engstelle.

Was wir dann gemacht haben: In das Spannfutter der Drehbank kam zuerst ein einfacher Mitnehmer (in einer MK2 Verlängerung, und somit zu spannen wie ein zylindrisches Werkstück) und im weiteren Verlauf zwei Spannfutter von mir (100er und 125er Nova, wer hat, der hat), wobei die Bank bzw. deren Spannfutter gross genug sind den 125er Futterkörper sicher zu halten. Die nicht vorhandene Handauflage (Werkzeugauflage für Menschen, die gerne vermeintliche Fehler suchen) wurde simpel (russisch) durch ein langes Eisenstück in der Werkzeugaufnahme der Drehmaschine ersetzt. Hier fehlt dann die Möglichkeit eine andere Höhe als "Mitte" zu wählen, und das Umstellen ist auch aufwändig - aber es reicht aus.
Alles ganz simpel und so konnte es wirklich sehr schnell ans Eingemachte gehen: Drechseln statt Drehen!

Und nun, nach der schon wieder sehr länglichen Bleiwüste, endlich das von allen Lesern erwartete Beweisfoto:

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Wer jetzt an dieser Stelle auf weitere salbungsvolle Worte von mir hofft, den muss ich leider enttäuschen. Wie unseren Workshop (neuanglogermanisch) am gestrigen Nachmittag werden wir den Bericht (der Günter weiss da noch gar nix von, kicher) als Gemeinschaftsprojekt gestalten. Ab hier berichtet der Günter nämlich selber. Also keine Angst, frei raus, auch wenn ich jetzt weiss "wo Dein Haus wohnt".
:-L

Nach gut über drei Stunden haben wir dann aufgegeben. Ähm, neee, wir hatten das Ziel erreicht: Werkstück wurde als _fertig_ definiert - die Zeit zum Schleifen wurde auf das Minimum reduziert, was aber auch gut machbar war (keine Schleif-Orgie notwendig). Der Günter hatte zum ersten mal _gedrechselt_ und mir die Ehre erwiesen mich nebenher mit vielen Fragen zu löchern. Bei einem Besuch bei einem König des praktischen Handelns ist aber natürlich auch für mich die eine oder andere neue Erkenntnis dabei heraus gesprungen. Auch diese Erkenntnis gehörte dazu: Wenn man dummer Weise das Werkstück verkehrt herum drehen lässt, dann sind - egal ob Drehen oder Drechseln - ordentliche Fortschritte einfach nicht machbar.

Zum Ausklang des Abends gab es dann noch eine leckere Brotzeit und wir haben uns zu dritt über das Leben auf der Alpe, das Holz, die Menschen und den Rest der Welt herrlichst unterhalten. Danke!

Viele Grüsse
Joe (Joachim)

1: gemeint sind alle, die gerne mal Holz rund machen, egal mit welcher technischen Ausrüstung. Alles Andere sind mutwillige Fehlinterpretationen!
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Kreuzthaler
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von Kreuzthaler »

Hallo Schriftsteller Joe,

danke für die lehrreiche Unterweisung. Das Bild zeigt das hergestellte Produkt.

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IMG_0045+Bi.JPG (55.83 KiB) 3021 mal betrachtet


Die "Drechseltechnik" hat bei Rundungen einige Vorteile. Ich werde diese speichern und bei Bedarf anwenden.
Die Vase - aus Kirschbaum - werde ich, wie es von mir manch ein Leser/eine Leserin erwartet, aus Fichte mit "Drehtechnik" nachmachen.

Es wird ein wenig dauern.

Bis dahin, seid froh und munter.

Der Kreuzthaler.
Joh
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von Joh »

Hallo Günter,
Deine Art, hier die Fichte zu so makelloser Oberfläche zu bringen, war auch für mich Ansporn, dies auch mit einem handgeführten Werkzeug,
also mit Drechseleisen zu versuchen. (Einen kleinen Kreuztisch hätte ich sogar.)

Ich glaube ja nicht, dass der Joachim (da_Joe) es geschafft hat, bei seinem Besuch, Dich von dieser Art der Holzbearbeitung zu überzeugen.

So habe ich auch wie unser Kollege Helfried meine Röhren frisch geschärft, und mich an einem Stück trockener Fichte versucht.
Bei mir Durchmesser ca.27cm Stärke 55mm.
Mit einer Schalenröhre, Breite ca. 18mm und mit meiner breiten Schruppröhre, ca. 35mm geht es schon ganz gut
eine saubere Oberfläche hinzubekommen, aber noch weit von Deiner Vorgabe entfernt.
Hier geht es mir ähnlich wie dem Helfried.

Also wie weiterkommen?

Der Versuch, mit einem sehr schlank geschliffenen Ovalmeißel bringt zwar eine feine Oberfläche,
aber die Gefahr hier einzuhaken ist doch sehr groß, und beim Innenausdrehen nicht einzusetzen.

Was aber dann doch funktioniert, ist ein rund geschliffener Meißel.

Der Bereich, wo dieses Werkzeug in das Holz eingreift, ist ja ähnlich, wie bei der Schneidengeometrie an den Flanken einer weit zurückgeschliffenen Röhre.
Der Schnittwinkel ist aber wesentlich spitziger.
Durch die Rundung der Schneide sind die beiden Ecken des Meißels aus der „Gefahrenzone“.
Die gerundete Fase der Scheide kann am Holz anliegen.

Bei der Form der Schale hab ich bewusst einen Fuß gesetzt um die konkave und konvexe Form mit dem Meißel zu probieren.
Ebenso die Spielerei am Grund der Spannfläche, alles mit dem Meißel.
Also eher auf die Arbeit, als auf die Form geschaut,
die aktiven Gestalter in diesem Forum mögen es mir verzeihen!

Das Ausdrehen innen geschieht mit der Schruppröhre und der Schalenröhre.
Bei mir ist die Schruppröhre seitlich zurückgeschliffen, dadurch entsteht eine lang gezogene Schneide, mit der es mir leichter fällt,
Innenflächen zu schlichten.
Das scharfe Überdrehen zum Schluss wider mit dem rund geschliffenem Meißel.
Hier natürlich mit sehr sparsamer Spanabnahme.

So habe ich die kleine Probierschale ungeschliffen abgespannt und so als fertig erklärt!

Günter, es ist noch nicht ganz bei Deiner Oberflächenqualität, aber der Versuch mit dem Meißel war es wert.
Dies ist sicher noch auszubauen.

Schleifen der Oberfläche bleibt also weiterhin erlaubt, und wird in der Drechslerei nicht als unsportlich bewertet!

Es bestätigt sich aber der Spruch, der mir aus der Schreinerlehrzeit noch geläufig ist:

Schleif´ lieber oimaul s´Werkzeug gscheid, als a´Schtond am Holz rum!

Liebe Grüße von dem unteren- ins obere Allgäu.

Unsere Fichte ist einfach ein feines Material.


Hannes

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Jesse
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von Jesse »

Sauber sag I. Alle Achtung.
:klatsch: :klatsch:
Gruß Jesse
seschmi
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von seschmi »

Lieber Kreuzthaler, lieber Hannes,

ihr habt wieder einmal bewiesen, dass man nicht alles glauben soll, was einem so erzählt wird.

Weisheiten wie „Meißel nur bei Längsholz“ und „Drehen ist etwas ganz anderes als Drechseln“ schrumpften innerhalb dieses Threads zu „Im Prinzip schon“-Aussagen.

Ich verneige mich in Ehrfurcht vor der Oberfläche Eurer Fichtenschalen,

Sebastian
herosseveros
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von herosseveros »

Hallo zusammen
Geht doch, einfach mal probieren!
Gruß Peter
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Kreuzthaler
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Re: Scharf und Fichte

Beitrag von Kreuzthaler »

Guten Abend,

es freut mich richtig, dass die Fichte so viel Beachtung findet.

Der Bericht vom Helfried, der Besuch vom Joe, der Bericht vom Hannes und die anderen Beiträge, all das finde ich ganz arg schön.

Extra noch: Was der Hannes da gemacht und gezeigt hat, ist schon bewundernswert.

Und dann noch: Auch ich habe es mit meinem Maschinchen wirklich nicht leicht. Manchmal will es einfach nicht gut werden. So ist das halt.

Also, wie versprochen, habe ich die Kirschbaum-Vase aus Fichte mit dem Kreuzsupport und Drehstählen nachgemacht.
Zugegeben, dieses Mal musste ich etwas meine nicht ganz so feinen Absätze - mehr als sonst - schleifen. Die Kontur und die Oberfläche dürft ihr bewerten.

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Hannes, wenn Du möchtest, kannst Du gerne mal einen Besuch im "Drehbankzentrum" machen. Ich würde mich freuen. Und Holz habe ich auch ausreichend.

Freut euch alle an dem schönen Hobby und seid mit dem, was ihr an Geräten habt, zufrieden.

Es grüßt euch alle der Kreuzthaler.
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