Eine Wohltat für die Seele

[Peter Gwiasda]

Hallo Drechselfreunde,

manchmal steht nicht das Resultat einer Arbeit im Mittelpunkt, sondern der Weg dahin. Und dann ist der Weg das Ziel, dann ist der Weg auch Teil einer Therapie zur Bewältigung einer existenziellen Krise. Die Vorgeschichte ist nicht schön. Ein mittelalter Mann drechselt seit vielen Jahren in meiner Werkstatt alles Mögliche, hat aber nie die Hürde zum geübt-professionellen Status übersprungen, was weder ihn noch mich betrübt. Wichtig ist uns beiden, dass er am Ende seiner Arbeit an der Drechselbank immer stolz und absolut frei ist von den Belastungen seines stressigen Jobs. Kürzlich bat er mich wieder um einen Termin in der Werkstatt, überraschenderweise um mehrere Termine jeweils nur für maximal zwei Stunden. Mehr könne er nach strapaziösen Operationen und Chemotherapien nicht durchstehen. Aber er wollte unbedingt zu seinem bevorstehenden Hochzeitstag "eine wirklich große Schale" für seine Frau drechseln.
Und das ist dabei herausgekommen: Mammutbaum, Durchmesser 590 mm. Er musste viel schleifen, weil seine Schneidtechnik nicht immer perfekt war. Macht aber nix. Während seiner mehrfach unterbrochenen Arbeit war ihm Lebensfreude und Zuversicht anzumerken. Er freut sich auf Montag, wenn er seine Frau mit dieser Schale überraschen kann.

Weshalb ich diese Geschichte poste? Weil drechseln exemplarisch in vielen unterschiedlichen Lebenssituationen eine Wohltat für die Seele ist.

Freundliche Grüße von Peter Gwiasda

P1030735-001.JPG (118.94 KiB) 2726 mal betrachtet

[Bernd W.]

Hallo Peter
Vielen Dank für deinen schönen Beitrag.
Sehr emotional.

LG Bernd

[Schnecke]

Hallo Peter,

Mammutbaum ist ja nicht gerade dafür bekannt, ein einfach zu drechselndes Holz zu sein.
Auch die zunehmende Größe einer Schale macht es nicht unbedingt leichter und einfacher ein gutes Ergebnis zu erzielen…
Die von Dir geschilderten gesundheitlichen Einschränkungen sind ebenfalls nicht gerade eine Erleichterung, eine gute handwerkliche Arbeit abzuliefern.

Alles in allem eigentlich nicht die optimalen Voraussetzungen für eine gelungene Schale in diesen Dimensionen.

All diese Hürden haben „den mittelalten Mann“ aber offensichtlich nicht davon abgehalten, eine in meinen Augen sehr gut gearbeitete Schale zu drechseln. In dieser Arbeit steckt offensichtlich viel Herzblut und Willenskraft, welche eine sehr schöne Mammutschale entstehen ließen.

Vor solch einer Arbeit kann ich nur respektvoll den Hut ziehen.

Danke Peter, daß Du uns die Geschichte zur Entstehung dieses Werkes erzählt hast.

Schöne Grüße

Christian

[tigerwood]

Hallo Peter,

wieder ein Beitrag aus der Kategorie "Therapeutisches Drechseln".

Geht mir ganz ähnlich wenn ich wieder mal an der Drechselbank stehe.
Stress und Sorgen sind danach verflogen.

Leider komm ich viel zu selten dazu.

Gruas Christof Gottwald

[schwede]

Servus Peter,

Weil drechseln exemplarisch in vielen unterschiedlichen Lebenssituationen eine Wohltat für die Seele ist.

So ist es!

Und so freue ich mich nun schon drauf,
auch morgen wieder 10 Stunden an der Drechselbank zu stehen!

[Beili1959]

Ich hätte im Leben nie gedacht mal so etwas zu lesen, bin gerade emotional sehr bewegt.
Hallo Peter,
einen Abschnitt unseres Lebens machen meine Frau und ich gerade durch, das nur erdenklich volle Programm.
Letztes Jahr bei mir Blasenkrebs, seit kurzer Zeit Brustkrebs bei meiner Frau, ab nächster Woche Chemotherapie bei ihr.
Ja das drechseln und das Drumherum haben uns gerade in der letzten Zeit oft extrem geholfen für eine gewisse Zeit das Schlimme, was bald kommt, zu
vergessen. Ein Stück Holz hat eine völlig wertigere Bedeutung für uns beide bekommen, es hilft!
Egal was bei rumkommt, schief, krumm, schön oder schlecht, die Zeit, die man zusammen in der Drechselbude verbringt, ist mit nichts auf der Welt aufzuwiegen.
Wir sagen danke für den für uns so anrührenden Bericht.

Kerstin und Harald

[drmariod]

Hallo Peter,
vielen Dank fürs Zeigen und für die Geschichte.
Ich kann jeden Satz voll nachvollziehen und freue mich auch über jede Stunde in der Werkstatt an der Bank. Gerade die Zeit mit Corona, mehr an Home Office gebunden, weniger soziale Kontakte, haben mich zeitweise vor großen Herausforderungen gestellt und Drechseln war in den meisten Fällen beteiligt, wenn es darum ging ein Gleichgewicht in meiner Seele wieder herzustellen. Im letzten Jahr war ich über die positive Wirkung von Drechseln so begeistert, dass ich meine Homepage "good rotations" genannt habe und seit diesem Jahr meine Erfahrungen mit Drechseln (und Metalldrücken) dort auch versuche festzuhalten.
Eigentlich ist es nicht nur das Drechseln, sondern eigentlich alles was damit zu tun hat.
Sei es das stöbern in meinem Holzregal, das stichprobenartige wiegen und Gewicht auf dem Holz notieren, damit ich weiß, wann welches Holz "reif" ist.
Sei es das aufsägen größerer Brocken, Holzart, Monat und Jahr notieren und die Enden versiegeln.
Sei es das viel zu viel Holz bereit legen mit einem groben Plan, was man alles machen will... Und am Ende kommt wieder was dazwischen... Die Stücke lagern aber alle auf der Werkbank und versperren Platz für andere sinnvolle Arbeiten
Sei es dann mal wieder das verräumen von Werkzeugen...

Aber mit das schönste beim Drechseln für mich ist es, dass gedrechselte zu verschenken. Sei es zur Hochzeit, Geburtstag, Weihnachten, Geburt oder einfach nur ein kleines Mitbringsel. Egal wie unzufrieden ich bis jetzt mit meiner Arbeit war, die beschenkten sind immer am Strahlen vor Freude...

Das ist bis heute der schönste Lohn, den ich mir für ein Hobby vorstellen kann.

Danke noch mal

Viele Grüße aus Rheinhessen
Der Mario

[Alfonsausbw]

Hallo ihr da oben, hallo Peter, habe selten Beiträge so gerne (mehrmals) gelesen.
Kann eure Aussagen über unser schönes Hobby nur bestätigen. Auch mir macht das "Drumrum" sehr viel Spass und ist für mich unglaublich entspannend.
Es entstehen, obwohl man ja eigentlich Stundenlang, manchmal bis spät in die Nacht einsam und allein an der Drehbank steht, unglaublich viele
nette Kontakte.

Freue mich jetzt schon auf den nächsten Markt, oder den nächsten Holzverschenker oder Holzverkäufer, Geschenkesucher, Technikinteressierten, Besserwisser
oder netten Nachbarn an der Werkstatttür.
Oder auf den nächsten Beitrag hier!

Gruß aus Bad Wünnenberg
Alfons

[MSchmer]

Lieber Peter,
dieser schöne Beitrag zeigt sehr emotional, mit was ein Holzer arbeitet. Vielen Dank dafür.
In meiner Familie hat, wie bei sovielen eine Krankheit Einzug gehalten, die immer noch viel zu wenig Beachtung findet, für die Auswirkung die sie hat.
Meine Frau hat seit ca 6 Jahren schwere Depressionen. Sowas belastet die ganze Familie.
Auch ich als "Oberhaupt" hab irgendwann zugeben müssen darunter schwer zu leiden.
Sobald ich aber in meine Werkstatt konnte und mit Holz arbeiten durfte, ging es mir viel besser.
Holz, und damit zu arbeiten, in welcher Form auch immer, kann unglaubliche Energie freisetzen.
Mir hat es wahnsinnig über die schwere Zeit weggeholfen.
Ich danke dir von Herzen, Peter, daß du mir hiermit den Mut gegeben hast, darüber zu schreiben. Es ist nicht selbstverständlich und es darf auch jeder darüber denken wie er will.
Deswegen kann ich nachvollziehen, das es in dem Fall, den du beschreibst, um viel mehr geht als das perfekte Ergebnis zu produzieren.
Holz kann die Seele heilen. Man darf das auch zulassen.
Herzliche Grüße
Markus

[GentleTurn]

Weshalb ich diese Geschichte poste? Weil drechseln exemplarisch in vielen unterschiedlichen Lebenssituationen eine Wohltat für die Seele ist.

Moin Peter,

so ist es. Danke für den Bericht.

[snakyjoe]

Guten Morgen Peter,
vielen Dank für deinen emotional ergreifenden und für mich sehr gut nachfühlbaren Bericht.
Die meisten hier im Forum nehmen das Drechseln sicher sehr ernst, betrachten es als Kunsthandwerk und "treiben das Hobby in vielerlei Hinsicht auf die Spitze". Das betrifft Zeitaufwand, Investitionen und Leidenschaft oftmals genaus so wie den Anspruch an die Qualität des Arbeitsergebnisses.
Ich versuche jedoch nie zu vergessen, dass Drechseln für mich in erster Linie der Ausgleich für meinen anspruchsvollen, leider nur den Kopf fordernden und meist stressigen Bürojob ist. In die Werkstatt gehen, das Licht einschalten, Brille aufsetzen, ein geeignetes Stück Holz für ein noch unbekanntes Projekt ertasten.....
und schon ist der Alltag ausgeblendet und ich versinke in der Welt der Späne, Röhren und Meisel. (Natürlich weiß ich, dass es ein Privileg ist, nicht meine Brötchen damit verdienen zu müssen.)
Ich denke Peter, dein Bekannter läßt sich aus den gleichen Gründen von der Drechselbank in seine eigene, kreative Gedankenwelt und aus dem Alltag heraus führen.
Dass er nun eine so prächtige Schale aus Mammutbaum mit nachhause zu seiner Frau nehmen konnte, wird beide glücklich machen.

Hier hänge ich mal eine angrenzendes Thema an:
Ich hatte gestern Besuch. Meine beiden 9 Jahre alten und der 5 Jahre alte Enkel waren zum ersten Mal hier in meiner neuen Werkstatt. Ich hatte Ihnen im letzten halben Jahr seit unser Hausumbau beendet ist, einiges an Spielzeug gedrechselt, weshalb sie ihrer Mutter seit Monaten in den Ohren lagen, mich besuchen zu dürfen.
Was soll ich sagen: Während die Erwachsenen im Garten saßen, waren meine 3 Enkel nicht von der Drechselbank wegzubekommen. Wir drechselten gemeinsam einfache kleine Dinge wie Miniaturvogelhäuschen, Kreisel und Eicheln. Sie überhäuften mich mit Fragen zum Holz und Werkzeug und vergaßen über all dem völlig die Zeit. Mit hochroten Gesichtern und leuchtenden Augen verfolgten sie gebannt, wie die Späne das Werkstück verließen, strichen mit ihren kleinen Händen prüfend nach meinem Vorbild über die Oberfläche und diskutierten "fachmännisch" über den richtigen Bohrerdurchmesser für das Flugloch des Minivogelhauses. Ihre Mutter musste sie am Abend förmlich aus der Werkstatt ziehen. Sie war erstaunt, wie viele Stunden die 3 Jungs völlig entspannt zusammen verbracht hatten.
Mir brummte zwar der Kopf nach diesem Tag, aber ich war sehr glücklich zu sehen, dass sich Kinder dermaßen für handwerkliches Arbeiten begeistern können.
Fehlen doch unseren Handwerksbetrieben allerorten die Nachwuchskräfte und das bei extrem guter Auftragslage.
Drechseln ist definitiv therapeutisch und damit wertvoll. Genau wie die Dinge, die auf der Drechselbank entstehen.
Beste Grüße
Egbert