Ständerspiegel, oval

Eure ovalen Werkstücke in Wort und Bild

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Johannes Volmer
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Ständerspiegel, oval

Beitrag von Johannes Volmer »

Ein schönes Wandergebiet in der benachbarten Tschechoslowakei waren für uns auch die mährisch-schlesischen Beskiden.
Anfang der achtziger Jahre fand ich dort in unserem Quartier, einer Berghütte unterhalb des Radegast (tschechisch RadhoÅ¡t), einen hübschen kleinen Ständerspiegel.
Als ich ihn näher untersuchte, fand ich unter dem mit einem Rattan-Ring gehaltenen ovalen Spiegelglas ein zusammengefaltetes Stück einer Zeitung aus Wien von 1900.
Das war nicht verwunderlich, denn zu jener Zeit gehörte diese Gegend zur Donau-Monarchie unter Kaiser Franz-Josef.
Ich hatte also ein Stück Wiener Drechslerware in der Hand. Es wurde fotografiert und genau gemessen und aufgezeichnet.
Ich wollte solche Spiegel drechseln, insbesondere die Rahmen auf meiner Ovaldrehmaschine fertigen, aber es kam nur ein einzige komplette Kopie zustande.

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Unsere Wanderguppe im Mai 1986 am Radegast,
eine Gottheit der dortigen Walachen bevor die Slavenapostel Kyrill und Method ihnen um 850 das Christentum brachten.
Von der Gruppe leben außer mir noch die blonde Freundin und Günther Scholz, ganz rechts,
jetzt 102 Jahre alt, viel besucht, weil er vor 70 Jahren Me109-Pilot war (Foto Karl-Heinz Banke †)

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Ovaler Ständerspiegel, Wiener Drechslerware um 1900, exakte Kopie aus der Werkstatt Johannes Volmer,
Linde gebeizt, die Spiegelscheibe wird mit einem 3mm dicken, sehr straff sitzenden Rattan (Peddigrohr) gehalten

Eckehardt Meglin (Vogtland Stammtisch) hat sich für diesen Spiegeltyp begeistert und verschiedene Varianten gefertigt.
Die ovalen Rahmen hat er auf der Ovaldrehmaschine ODM30 gedrechselt, die Ständerteile auf seiner Kreher-Bank.

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Rahmen-Rohling und Rechteck zum Einspannen, mit Papierfuge aufgeleimt

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Zweibackenfutter der Ovaldrehmaschine ODM30 (Werkstatt J. Volmer)

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Eckehardt Meglin als versierter Ovaldreher bei der Rahmenfertigung auf der schnellen ODM30.
Hier gilt besonders: Übung macht den Meister.

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Zwei verschieden Größen: vorn Größe 2, Esche, gebeizt, Spiegelglas 112mmx152mm, Höhe 335mm;
hinten Größe 3, Linde, Spiegelglas 122mmx158mm, Höhe 385mm

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Größe 2 Esche, gewachst. Die ovale Spiegelscheibe wird von einem ganz straff sitzenden 3mm Rattanring gehalten, hier braun gebeizt

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Größe 1, Ulme, gewachst, Spiegel 106mmx136mm, Höhe 330mm.
Im Spiegelbild das Ovaldreher-Logo auf rotem Papier

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Größe 1 Ulme, farbig gebeizt

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Die Spiegelscheiben werden aus 3mm Spiegelglas mit dem Kopp-Ellipsen-Glasschneider geschnitten.
Die Scheibe muss mit wenig Spiel in den fertigen Rahmen passen. Weder am fertigen Rahmen noch an der geschnittenen Scheibe kann man etwas ändern.
Einfacher ist es, den Rahmen nach der geschnittenen Scheibe zu drechseln.

Gruß an alle Ovalisten und am Ovaldrehen Interessierte von
Johannes Volmer

*edit by Raupenzwerg
holzknirps
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Beitrag von holzknirps »

Hallo,
den Spiegel kann man noch mit einer stumpfen Kinderschere zurecht schneiden.
Der Rand sieht allerdings etwas angefressen aus.
Wichtig dabei, die komplette Scheibe muß vollständig unter Wasser getaucht sein, und immer nur kleine Stùcke abknipsen. :-)
Wer es nicht glaubt, darf es gerne mal ausprobieren.

Rudi
hovens
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Beitrag von hovens »

Hallo Johannes,


Schöne Sachen habt ihr gemacht! :maintor1:

Gruss,

Jan
holzknirps
Beiträge: 131
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Beitrag von holzknirps »

Hallo Johannes,

ich zolle meinen Respekt den Drechslern, die sich einer mir so komplizierten Form widmen!
Meine Frage nun, welches Verhältnis Höhe - Breite wendest du an, daß eine harmonische Form zustande kommt?
Kann man das Ovaldrehwerk verstellen? So daß die Form des Oval variiert, etwas länglicher oder runder?
Bei dem Kopp - Ellipsenschneider scheint mir das der Fall zu sein, jedoch bleibt mir die Justierung ein Buch mit sieben Siegeln.
Auch die Art und Weise den Spiegel im Rahmen zu befestigen, ist bemerkenswert.
Im Gegensatz zu einem Rahmen, mit Falz und seperater Rückwand, sind deine Spiegel aus einem Stück.

Freundlicher Gruß
Rudi
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Johannes Volmer
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Beitrag von Johannes Volmer »

Hallo Rudi und Martin, ich danke Euch für Euer Interesse an unserer Mitteilung und beantworte gern Eure Fragen:

Rudi: Die Form des Ovals, schlank oder rundlicher, ist durch das Verhältnis „kleine Ellipsenachse zu große Ellipsenachse“ gegeben. Man wählt das und die Größe am Anfang nach dem Verwendungszweck des ovalen Objektes. Man zeichnet das Oval am besten auf. Es gibt Aufsätze von mir dazu mit Bildern in DRECHSELN –DEUTSCHE DRECHSLERZEITUNG. Du findest Angaben im Literaturverzeichnis meiner Schrift OVALDREHEN im Internet. Da Aufsätze über Ovaldrehen vom jetzigen DRECHSLER-MAGAZIN nicht angenommen werden, habe ich auch in den USA im MORE WOODTURNING MAGAZINE veröffentlicht.

Am Ovalwerk wird die „Achsen-Differenz“ eingestellt, also große Achse minus kleine Achse. Das Ovaldrehen ist überhaupt nichts mit sieben Siegeln. Es erfordert nur das Beherrschen der vier Grundrechnungsarten, und das haben wir ja alle in der Grundschule gelernt. Genauso ist es mit der Einstellung des Ellipsen-Schneiders. Man muss sich natürlich damit beschäftigen.

Die abgebildeten ovalen Rahmen hat Eckehardt alle in einer Aufspannung gedrechselt. Die Scheibe wird von vorn eingelegt und mit einem straffen Rattanring gehalten. In Seeg haben wir von vorn ein Profil und von hinten einen Falz für die Scheibe gedreht, aber ohne separate Rückwand.

Martin: Die Spiegelständer sehen von hinten aus wie von vorn. Die Rahmen sind hinten ganz glatt. Die Reste der Papierverleimung wurden abgekratzt und dann die Fläche geschliffen.

Beim Glasschneiden der ovalen Scheiben haben wir lernen müssen. Wie auch schon in Seeg haben wir rechteckige Scheiben genommen, haben das Oval mit dem Stahlrädchen geritzt und angeklopft, danach vier Gerade vom Oval zu den Ecken geritzt und wieder von unten geklopft, bis sich die vier Teile lösten. Wir sollten einmal einen Glasermeister fragen, wie es ein Profi macht.

Ich freue mich und bin dankbar, dass das Drechsler-Forum die Möglichkeit bietet, über das Ovaldrehen zu schreiben und zu diskutieren. Der Zahl der aktiven Ovalisten steigt, und vielleicht darf ich es noch erleben, dass wieder ein einfaches, für viele erschwingliches Ovalwerk angeboten wird.
Johannes Volmer
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