Schlüsselschild, oval

Eure ovalen Werkstücke in Wort und Bild

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Johannes Volmer
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Schlüsselschild, oval

Beitrag von Johannes Volmer »

Dem Feuersturm des Bombenangriffs auf Dresden im Februar 1945 fiel auch das Residenzschloss zum Opfer. Heute steht das Schloss in alter Pracht wieder da, und beherbergt wertvolle Ausstellungen. Für uns Drechsler dürfte das Elfenbeinzimmer im Historischen Grünen Gewölbe eine besondere Attraktion sein. Noch sind nicht alle Innenräume wieder hergestellt. So wird zur Zeit an der Inneneinrichtung des Rotseidenzimmers (RSZ) im Georgenbau gearbeitet.
Das Foto zeigt das Zimmer im Jahr 1896. Als Drechslerarbeit erkenne ich hier links eine Tischsäule.

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(Foto Roemmler & Jonas 1896, Deutsche Fotothek SLUB Dresden)

Von der Drechslerei Bernd Hoxhold, übrigens eine der wenigen von ehemals über 30 Drechslereien in Dresden, und dem an der Restaurierung beteiligten Bildhauer und Restaurator Stephan Thürmer erreichte mich die Anfrage, ob ich das Gussmodell für das historische ovale Schlüsselschild drehen könnte. Ich sagte zu, es zu versuchen, obwohl mir die Einhaltung der auf der Zeichnung vorgegebenen Millimeterangaben frei Hand schwierig erschien.
Das braune Stück ist eine Profilschablone von Stephan Thürmer, mit der man das gedrehte Profil kontrollieren kann

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Da das Gelingen einer solchen Maßarbeit immer fraglich ist, legte ich von Rosette und Deckel je drei Stück auf.
Auf Fichten-Rechtecke als Träger leimte ich mittig Klötze aus Weißbuche mit Papierfuge auf.

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Nach Einstellung der Ovaldrehmaschine ODM30 auf den Radius für 9mm Achsendifferenz und der Ausgleichmasse werden die Rechtecke ins Zweibackenfutter gespannt.
Gedrechselt wurde mit spitzen schmalen Röhren und Schabern.

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In das oval gedrechselte Schlüsselschild, die Rosette, hat Stephan Thürmer 24 gleichmäßig verteilte Vertiefungen (Kanneluren) eingearbeitet.
Außerdem waren die vier Ohren für die Schraubenlöcher anzusetzen.
Von dem Modell werden im Wachsausschmelzverfahren die Gussformen hergestellt und die Schlüsselschilder und Deckel in Bronze oder einem anderen gelben Metall gegossen.
Danach erfolgt die Metallbearbeitung für das Schlüsselloch, die Schraubenlöcher und das Deckelscharnier.
Das letzte Bild zeigt einen provisorischen Gipsabguss.

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Insgesamt war das für mich eine interessante, genau zu schaffende Arbeit.
Es freut mich, dass ich einen, wenn auch winzigen Beitrag für die Wiederherstellung des Glanzes meiner einst so geschundenen Heimatstadt leisten konnte.

Johannes Volmer
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schwede
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Beitrag von schwede »

Servus Johannes,

mit großer Freude habe ich deinen Beitrag hier gelesen!
Vielen Dank dafür.
Ich finde es toll, dass du zur Restaurierung deinen Beitrag leistest!
schöne Grüße aus der Oberpfalz
Markus ---> Schwede

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hovens
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Beitrag von hovens »

Hallo Johannes,

Gratuliere zu diesen beitrag. Ich habe es mit viel interesse gelesen. Momentan lese ich ein manuskript von Herrn Erhard Kunzke aus Dresden. Er hat sich über viele jahre beschäftigt mit den kurfürstlichen drechsler des 16. und 17. Jahrhundert. Er hat auch recherchiert, wo die drechselkammer im schloss waren.
Dein bericht über die restaurierung eines zimmers habe ich dann auch mit extra Andacht gelesen.

Gruss,

Jan
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Schnecke
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Beitrag von Schnecke »

Hallo Johannes,

Deine Beiträge lese ich immer wieder gerne und ich finde es sehr gut, daß Du uns an Deinen Arbeiten teilhaben läßt.

So gerät die Technik des Ovaldrechselns nicht in Vergessenheit.

Vielen Dank

sagt Christian
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Holzkopf
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Beitrag von Holzkopf »

Lieber Johannes,

vielen Dank für diesen schönen Beitrag in Wort, Bild und Tat.

Schöne Grüße aus dem sonnigen Allgäu,
Martin
Man kann niemanden Überholen,
wenn man in seine Fußstapfen tritt!


Meine Homepage:
www.drechslerei-adomat.de
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equal
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Beitrag von equal »

Wahnsinn ... ich bin begeistert von solchen Arbeiten und das Ergebnis spricht für sich.
Als "Original"-Dresdner kommen da einige tolle Erinnerungen hoch. Wie man als Kind im Grünen Gewölbe mit offenen Mund und großen Augen völlig fasziniert umhergelaufen ist.

Grüße
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drechselede
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Re: Schlüsselschild, oval

Beitrag von drechselede »

Guten Tag Johannes,

es macht viel Freude einen solchen Beitrag zu lesen, auch die detailierte Ausführung ist super.
Die Arbeit ist schon eine besondere Auszeichnung an dieser historischen Arbeit mit zu wirken.

*edit by Raupenzwerg
Eine alte Schreinerweisheit sagt:
Es gibt ein Strumpfhalter
auch ein Büstenhalter
aber kein Holzhalter.
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