Nicht ganz mein Stil

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Holzfabrik
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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von Holzfabrik »

Hallo Helfried
Hut ab, tolle Arbeit :gold:
Gruß aus NRW
Stefan
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GentleTurn
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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von GentleTurn »

Joh hat geschrieben: 05.06.2021 - 02:00:28
Die Drechsler im 19.Jhd waren hier vermutlich schneller als wir, aber vor allem deshalb, weil dies für sie Routine war und alltägliche Arbeit. (...) Der ständige Umgang mit solchen Formen, die nur „funktioniern“ wenn sie sauber gedreht sind. (...) Der Schnitt muss sitzen. (...) Es war der „Normalfall“, dass ein Drechsler einen sauberen Karnies dreht, der ohne Knick oder Buckel von der Hohlkehle in den Rundstab übergeht.
Moin Hannes,

nicht nur damals. Auch heute müssen Drechsler, die ihr Geld mit eben dieser Arbeit verdienen, diese Eigenschaften erfüllen. Ein Beispiel von vielen möchte ich hier (mal wieder) zeigen. Wer sich interessiert in Sachen Drechseln und speziell mit der Beschäftigung zum Thema Meißel befasst, kommt an einem Mann nicht vorbei: Steve aus England, weltweit bekannt unter dem Namen "woodturner21". Auf seinen YouTube-Kanal https://www.youtube.com/user/woodturner21/videos ist eher leider nicht mehr so aktiv, dafür aber bei Instagram. https://www.instagram.com/stevethewoodturner/?hl=de Da geht das Einstellen von kurzen Videos effizienter. ;-)

Seine mehr als mitlerweile 40 Jahre Berufserfahrung lassen eine durchdachte Routine und zweckmässigen Einsatz von Werkzeugen erkennen. Schaut Ihm einfach mal über die Schulter. Wer in seinem Leben diese Objekte zuhauf dreht, muss effizient sein. Hier wird nicht mal die Maschine abgestellt, denn das kostet Zeit. Ein Beispiel in dem er zeigt, wie er korrekte Kopien herstellt: https://www.youtube.com/watch?v=5-IyKXtp-eM Leider geht der Kommentar etwas unter. Aber er kann auch mehr, ein Film aus 2015: https://www.youtube.com/watch?v=ncsvCUBXsrw Ein klasse Film und eben musste ich wieder innehalten und schauen, bevor ich hier weiter texte. Hier sieht man einen systematischen Aufbau immer wiederkehrender Arbeiten. Vorbereitung, Storyboard mit Kerben (geht auch mit Nägeln, ist noch schneller), das Ausführen aller um Schritt notwendigen Schnitte, wenn bwps. gerade eine Formröhre in der Hand ist, der Aufbau der Schnitte und Schnittfolgen aufeinander. Vor letzterem ziehe ich bei Profidrechslern den Hut, denn das setzt viel Routine und Erfahrung voraus. Ferner sieht man, wie er aus Metallresten gefertigte Maßschablonen nimmt, um Zapfen o.ä. abzumessen.

Das war mein erster fremdsprachiger Film - nachdem ich die bekannten deutschen von den Herren Adomat und Graf gesehen hatte - auf den ich bei der Recherche im WWW zum Thema Drechseln gestoßen bin. Im Rückblick muss ich sagen: Zum Glück! Seit ich seine Filme verschlungen habe, war mir klar: Ein Meißel ist ein vielseitiges Werkzeug. Wie ich später dann erfahren habe: 12 Schnittarten mit nur einem Werkzeug. Ich habe keine Angst vorm Meißel. Wusste als Anfänger damals auch nicht, dass es "üblich" ist, dass man weltweit vor dem Meißel Angst haben "muss". :-L

Muss ja gehen, Steve kann es. Somit habe ich den Meißel immer in meine Tätigkeiten einfliessen lassen und mir auch mal Rat von Steve geholt. Gut, ich werde nie die Routine und die Fehlerfreiheit von Steve erreichen, Das muss ich aber auch nicht. Steve benutzt hauptsächlich nur die von Hannes erwähnten drei Werkzeuge.

Der Satz war der zweite Auslöser hier zu antworten.

In einem seiner Filme zeigt er, was man mit dem Meißel so machen kann. Einen verlinke ich noch, wer Lust auf mehr hat, schaut sich einfach mal bei ihm um. Er wird ja als Könner so oft gefragt, "was geht". Hier erklärt er mal ein paar Schritte. https://www.youtube.com/watch?v=MOuznRWUGos Sonst redet er nicht viel und es macht einfach nur Spaß, im mal bei der Arbeit zusehen zu können. In diesem Film wird sogar erst- bzw. einmalig ein kleiner Catch dokumentiert. ;-)

Also aus den Filmbeispielen hier ergibt sich schon ein Vergleich zu den Zeiten, die ein sehr geübter Nicht-Profi für eine Aufgabe benötigt und wieviel Steve als Profi.
Liebe Grüße, Martin.

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Helfried
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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von Helfried »

Nocheinmal ich,

obwohl der Beitrag von [mention]Joh[/mention] fast schon ein schönes Schlusswort gewesen wäre (vielen Dank, Hannes,
für die ausführliche Erklärung der Technik der Aufleimungen an historischen Tisch- und Stuhlbeinen!), möchte ich doch noch ein paar Gedanken "loswerden" und
hier anhängen.
Obwohl ich weiß, dass wir vom hundertsten ins tausendste kommen können ...
Ich empfehle dennoch jedem, der mit dem Drechseln beginnt sich mit solchen Formen zu beschäftigen.
Rundstab, Platte und Hohlkehle. Mehr ist es nicht an Formen.
Es gibt sicher ganz unterschiedliche Motivlagen, mit dem Drechseln zu beginnen. Ich selbst zum Beispiel habe mir von Anfang an
vorgenommen, ein möglichst breites Spektrum dieses Handwerkes überblicken zu können.
Ich habe Rundstäbe geübt zum Gotterbarmen!
Mit weißen Fingerknöcheln Hohlkehlen nebeneinander gelegt!
:-C

Wenn andere den Schwerpunkt auf Querholz legen wollen, Schalen und Teller gestalten, die Schönheit der Maserung und Farben des
Holzes an Hohlformen zur Geltung bringen wollen, sind sie mit "Rundstab, Platte und Hohlkehle" schlecht beraten.
Dann brauchen sie andere Fähigkeiten, andere Werkzeuge, einen anderen Blick auf Formen.
Ich bezweifle zum Beispiel, dass David Ellsworth viele Rundstäbe, Platten, Kehlen und Karniese gedreht hat ...

Beim Schalendrechseln bringt mir der Schrägmeissel - na, ich sag einmal - wenig.

[mention]GentleTurn[/mention]:
Ich habe keine Angst vorm Meißel. Wusste als Anfänger damals auch nicht, dass es "üblich" ist,
dass man weltweit vor dem Meißel Angst haben "muss".
Du Glücklicher!
Die Angst vor dem Schrägmeissel hab ich auf meinen ersten beiden Drechselkursen gelernt - und ich bin sicher nicht der einzige,
dem es so ergangen ist!
Und da hat es mir auch nicht genützt, dass der Meister (Sven Jurisch) die Rundstäbe etc. perfekt vorgeführt hat.
Ich hab mir das letzte der von dir empfohlenen Videos jetzt gerade angeschaut, und ich muß sagen: Wenig hilfreich für einen Amateur,
furchterrregend für einen Anfänger, der das nachzumachen versucht!
Die Meister können das einfach! Sie beherrschen den Schrägmeissel, weil sie das in ihrer Jugend - wahrscheinlich auch mühsamst - gelernt
haben, und wissen gar nicht, warum!
Ach, ein kleiner "catch"! Schwamm drüber, das passiert halt.
Ich erinnere mich an Heiner Stephani in Olbernhau 1917, der vor Publikum im großen Zelt einen Nürnberger gerissen hat, dass es nur so geschnalzt hat.
Er hat das gut überspielt, war lustig, ja.

Keiner der Meister kann oder will schlüssig erklären, was sich an der Schneide wirklich abspielt und wie Nürnberger v e r l ä s s l i c h zu verhindern sind.

Eine Bitte: Zu diesem Thema bitte keine Videos mehr verlinken.

Vielen Dank

Helfried
Alles Ringeldings, liebe Leute!
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Holzhans
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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von Holzhans »

Servus Helfried

:gold: :gold: :gold:
Ganz großes Kino, ich habe große Ehrfurcht vor deinen Arbeiten! :klatsch:
Gruß aus dem Most4tel
Hans

Wer kämpft kann verlieren
wer nicht kämpft hat schon verloren
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GentleTurn
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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von GentleTurn »

Helfried hat geschrieben: 05.06.2021 - 22:44:12
Ich bezweifle zum Beispiel, dass David Ellsworth viele Rundstäbe, Platten, Kehlen und Karniese gedreht hat ...
Stimmt, hat er nicht. Weiss ich aus berufener Quelle. Was er nicht drechseln konnte, hat er auch nicht gedrechselt, fertig. Auch ein Weg, sicher. ;-)
Helfried hat geschrieben: 05.06.2021 - 22:44:12
Ich habe keine Angst vorm Meißel. Wusste als Anfänger damals auch nicht, dass es "üblich" ist,
dass man weltweit vor dem Meißel Angst haben "muss".
Helfried hat geschrieben: 05.06.2021 - 22:44:12

Du Glücklicher! (...)
Danke. :prost:
Helfried hat geschrieben: 05.06.2021 - 22:44:12
Ich hab mir das letzte der von dir empfohlenen Videos jetzt gerade angeschaut, und ich muß sagen: Wenig hilfreich für einen Amateur, furchterrregend für einen Anfänger, der das nachzumachen versucht!
Schauste, mir ging es andersherum. Ich wurde motiviert. Habe einiges von Steve und anderen Profis abgeguckt, einfach mal gemacht und fahre damit ganz gut. Es gibt zudem Einspannmethoden, die so sicher sind, dass man im Langholzbereich schon sehr viel Mühe braucht, bei einem Einhaker das Holz zwischen den Spitzen auszuhebeln. Bei mir hält es einfach an. Die Friktion kann man einstellen. Diese Technik ist auch empfohlen, wenn man mit Jungendlichen drechseln möchte. Die Einspannung kann man sich abgucken und nachmachen - das hilft ungemein, ohne Angst an die Sachen heranzugehen. Nicht nur beim Lernen mit dem Meißel, aus sonst.

Grundsätzlich provoziere ich auch bei (fast) allen Arbeiten eine Grenzüberschreitung. IMMER im für mich sicheren Rahmen!

Woher soll ich bitte sonst bemerken, wie es sich anhört, anfühlt etc. bevor was "überzogen" wird? Muss ich doch wissen, damit ich nicht in die Falle tappe. Gibt viele Parallelen in meinen anderen Hobbybereichen, aber das würde Deinen Thread endgültig sprengen. An die Grenzen gehen - am Besten mit fachlicher Unterstützung - und dann sehen, wie sich alles verhält. Toll vorführen kann das jeder, klar. Selber _geführt_ erleben lassen (also Trainer fasst mit an etc.) ist die Kunst des Ausbilders.

Nein, Helfried, in diesem Thread werde ich keine Links zum Meißel mehr posten. Aber in anderen. ;-) Denn das Befassen mit dem vielseitigsten historischen Drechselwerkzeug lohnt sich wirklich. Wenn die 500 in jedem Meißel eingebauten Nürnberger verbraucht sind, dann gehts eh wie von alleine. Da muss man dann durch. :-L

Nein, ich bin nicht perfekt darin. Und ja, auch ich habe Abende wo ich die eine oder andere Stunde lang nur schimpfe und es alles nicht so recht will wie den Tag / die Woche davor. Dabei ist es egal, ob Meißel oder nicht. Und? Gut, dann lege ich das Werkzeug weg oder mache etwas, was ich schon kann. Ist eh vieles Kopfsache! Auch im Handwerk. Aber das führt jetzt ganz weit weg.

Helfried, ich schrieb es schon weiter oben, Deine Arbeiten und Dein Bericht hier haben mir sehr gefallen. Er gab mir viele Anregungen.
Helfried hat geschrieben: 03.06.2021 - 22:29:10
@GentleTurn : Der Auftraggeber war zufrieden. (Da war er auch gut beraten!!!)
:-L :-L :prost:
Liebe Grüße, Martin.

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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von snakyjoe »

Hallo Helfried,
eine Mordsarbeit und sehr genau ausgeführt.
Da steckt schon in der Vorbereitung ein hoher Aufwand. Echtes Handwerk.
Ich hätte es mir auf keinen Fall zugetraut. Hut ab!
Gruß
Egbert
"Wege entstehen dort, wo man sie geht"
- Franz Kafka -


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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von Manfred Fa. »

Hallo Helfried,

" Wer die Geister ruft, braucht sich nicht wundern, wenn sie kommen ! "


Da musst du jetzt durch !

Für deine Arbeit und die " Schneid " so eine Krücke in die Hand zu nehmen, hast du ja großes Lob bekommen. :klatsch: :gold:

Hannes, Joh bekommt für seinen sachlichen und sehr guten Beitrag zum Thema auch :gold:

Schade, dass man solchen Jungs nur hier am Rande begegnet. :-)

Mit deiner Zeiteinschätzung liegst du ziemlich richtig.

1840 bis zur Jahrhundertwende und auch darüber hinaus Historismus - Grünerzeit - welch eine tolle Zeit für Architektur, Kunst und Handwerk. ;-)

Für das Drechslerhandwerk Aufschwung, Blüte und Niedergang. :heul

Die Werke in der Kunst und Handwerk aus dieser Zeit, waren teilweise so gut und ohne Fälschungs-oder Nachahmungsabsicht, dass sie bis zum heutigen als
Originale aus dem 17.Jh. im internationalen Kunsthandel unterwegs sind. :klatsch: Elfenbeinarbeiten nach frühen Stichen von unglaublicher Qualität,
werden trotz ihrer Jugend bei Sammlern und Museen wieder gebührend bewertet.

Architektur aus dem Historismus wird unter Denkmalschutz gestellt, unbezahlbar und für uns und der Nachwelt Juwelen, die erkannt und bewundert
werden wollen. :rose:


Bei der Architektur in unserer neuen Wohnsiedlung höre ich nachts die Wölfe aus dem Bayerischen Wald heulen :heul :-L
oder vielleicht sind es auch nur die Löwenfratzen von meinem Historismus Tischlein oder Enghalskrug aus dem 17. Jh. :-) :-)


Herzliche Grüße und schönen Sonntag
Manfred
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Helfried
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Re: Nicht ganz mein Stil

Beitrag von Helfried »

Liebe Leute,

soviel Zustimmung - soviele weiterführende Überlegungen und Anmerkungen: Danke!

Es ist für mich ausgesprochen erfreulich, mich in diesem Forum mit Menschen austauschen zu können,
die das Drechslerhandwerk kennen, die es ausüben, die es lieben.

:-)

Mit den besten Wünschen

Helfried
Alles Ringeldings, liebe Leute!
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