Geweihbaum

Allgemeine Themen rund ums Holz

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Cello
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Geweihbaum

Beitrag von Cello »

Hallo,

in den Parks unserer Stadt stehen ungefähr 10 Geweihbäume. Darunter ist ein einziges weibliches Exemplar mit sehr seltenen interessanten Früchten. Die Früchte sind 12…15 cm lang. Der Baum treibt extrem spät erst im Juni (!) aus. Da stehen alle anderen Bäume schon im satten Grün.
Er wirft seine Blätter schon zeitig im Oktober ab.

Nachfolgend das, was ich meinen Kunden mitgebe, wenn sie etwas aus diesem Holz kaufen. Das ist aber schon lang nicht mehr der Fall, weil ich nun kein Holz mehr habe.

ANNOTATIONEN ZUM GEWEIHBAUM

Der Geweihbaum ( Gymnocladus dioicus L. ) stammt aus Nordamerika und ist im Einzugsgebiet des Mississippi beheimatet. Dort wird er als American coffee bean, coffeebean-tree, coffeenut bezeichnet, denn die gerösteten Samen wurden in Nordamerika als Kaffee-Ersatz verwendet. Sein Name “dead tree” entstand dadurch, dass er ein halbes Jahr ohne Blätter steht: er treibt erst im Juni sehr spät aus, wirft die Blätter aber schon zeitig ab. Auf guten Böden der Flussniederungen ist er weit verbreitet. Der Baum erreicht in Nordamerika eine Höhe von 30 Metern, bei uns erreicht er etwa 20 Meter. Seine gefiederten Blätter haben eine Länge von maximal 70 cm und fallen im Herbst als Ganzes ab. Die Blüten sind weißlich und duften. Die sehr seltenen Fruchthülsen sind dunkelbraun. Im Winter ragen die relativ starken Äste gekrümmt knüppelartig ("Geweih") in die Gegend. Dieser Eigenschaft verdankt der Baum seinen griechischen Namen: gymnos = nackt, klados = Ast. Seine Herbstfärbung ist gelb.

In Dessau stehen höchstens 10 Exemplare dieses Baumes. Ein weibliches Exemplar mit Fruchthülsen steht auf dem Bahnhofsvorplatz neben einem männlichen Baum.

Das Kernholz ist eigenartig rötlich, das gelbliche Splintholz ist scharf abgegrenzt. Das grobporige Holz findet für Bauzwecke und in der Tischlerei Verwendung. Das Kernholz ist beständig gegen Feuchtigkeit. Der Baum ist fossil seit dem Tertiär bekannt. Die saponinhaltige Rinde findet als Waschmittel Verwendung.

Der Baum ist trockenheitsresistent und verträgt Wärme.

In Holland wird er seit 1747 nachgewiesen.

Eine wahre Geschichte: etwa 1980 rief der Pächter der Gaststätte „Teehäuschen“, die sich im Stadtpark von Dessau befindet, beim Gartenamt der Stadt an. Er bat im Juni darum, dass man „endlich die trockene Kastanie“ vor seiner Gaststätte absägen möge, da sie eine Gefahr darstelle. Das Gartenamt hat durch kluges Abwarten dieses Problem gelöst.


Auf dem Foto sieht man vorn links das weibliche Exemplar mit Früchten in der Krone (nein, das sind keine Vögel!) und rechts davon das männliche Exemplar, das sich bereits nackig gemacht hat.

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Gymnocladus (2) (min).JPG (86.06 KiB) 8009 mal betrachtet
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Gymnocladus (6) (min).JPG (94.09 KiB) 8009 mal betrachtet
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Gymnocladus (16) (min).JPG (48.94 KiB) 8009 mal betrachtet


Gruß
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branco
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Re: Geweihbaum

Beitrag von branco »

Hallo Jürgen,

das ist ja wieder mal ein sehr schöner Bericht von Dir.
Das Kernholz ist eigenartig rötlich, das gelbliche Splintholz ist scharf abgegrenzt.
Hast Du ein Foto von einem Objekt, an dem diese Farben zu sehen sind?

runde Grüße

Dieter
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Erick
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Erick »

Hallo Jürgen
Über Beiträge wie diesen freue ich mich immer sehr, danke. Von diesem Baum hatte ich noch nie gehört.
Gruß Erick
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Nord_holzwurm
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Nord_holzwurm »

Hallo Jürgen, ich kann mich Dieter und Erik nur anschließen :klatsch: :klatsch: Immer wieder gerne . :danke: :gold:

Gruß Thomas
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Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Helfried »

Danke, Jürgen,

für die Bilder und Hintergrundinformationen!

Die Bäume wachsen auch bei uns im Grazer Stadtpark, schön durchnummeriert:

DSC01962bw.jpg
DSC01962bw.jpg (180.97 KiB) 7742 mal betrachtet

Mitte September waren sie noch grün:
DSC01965bw.jpg
DSC01965bw.jpg (125.6 KiB) 7742 mal betrachtet

Und die Früchte unreif:
DSC01966bw.jpg
DSC01966bw.jpg (152.08 KiB) 7742 mal betrachtet

Jetzt werde ich bald zur Ernte schreiten.
(Keine Angst, nur die Bohnen, nicht das Holz ...)

;-)

Helfried
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branco
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Re: Geweihbaum

Beitrag von branco »

Wirst Du die Früchte auch als Kaffee-Ersatz verwenden?
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Serjo
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Serjo »

@ Branco
Ja,

Koffieboom en andere bijnamen
De inlandse naam koffieboom verschijnt het eerst in een van de dagboeken van George Washington, eind zeventiende eeuw. Het zou Thomas Jefferson zijn geweest die de eerste zaden plantte in 1783 op Monticello in de staat Kentucky. Peulen met harde zaden in dezelfde kleur als koffiebonen. Zaden die net als koffiebonen geroosterd worden om tot een brouwsel te komen, als surrogaatkoffie. Landontwikkelaars die arbeiders naar Kentucky lokten, gebruikten zelfs deze boom om hun staat aan te bevelen. Een gebied waar koffiebomen groeien, dat moest toch erg aantrekkelijk zijn. Nieuwe bewoners zworen het drankje echter af zodra echte koffie te verkrijgen was.
Het feit dat de boom zijn blad al vroeg in het seizoen afstoot in combinatie met de takkenschaarste leverde behalve de benaming Kentucky koffieboom kleurrijke volksnamen op zoals stompenboom en doods(beenderen)boom. Nog meer bijnamen: nickerboom, mahonieboom en chicot bij de Frans-Canadezen. Chicot betekent doodsboom. In Nederland wordt ook de benaming geweiboom gebruikt, een vertaling uit het Duits.

Einen Beitrag finden Sie unter folgendem Link: Https://denrologie.nl suchen Sie nach 'Glymnoclaudus dioica'
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Serjo
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Serjo »

... dendrologie ... :?oh
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Serjo »

Und jetzt in deutscher Übersetzung:

Kaffeebaum und andere Spitznamen
Der einheimische Name Kaffeebaum taucht erstmals im späten 17. Jahrhundert in einem der Tagebücher von George Washington auf. Thomas Jefferson soll 1783 auf Monticello, Kentucky, die ersten Samen gepflanzt haben. Schoten mit harten Samen in der gleichen Farbe wie Kaffeebohnen. Samen, die wie Kaffeebohnen geröstet werden, um als Ersatzkaffee ein Gebräu zu bilden. Landentwickler, die Arbeiter nach Kentucky lockten, nutzten diesen Baum sogar, um ihren Staat zu empfehlen. Ein Gebiet, in dem Kaffeebäume wachsen, das musste sehr attraktiv sein. Neue Bewohner verzichteten jedoch auf das Getränk, sobald echter Kaffee verfügbar war.
Die Tatsache, dass der Baum seine Blätter zu Beginn der Saison in Kombination mit der Knappheit an Zweigen abwirft, hat neben dem Namen Kentucky Coffee Tree zu farbenfrohen Volksnamen wie Stumpfbaum und Todesbaum (Knochenbaum) geführt. Weitere Spitznamen: Nickerbaum, Mahagonibaum und Chicot unter den französischen Kanadiern. Chicot bedeutet Todesbaum. In den Niederlanden wird auch der Name Vorraum verwendet, eine Übersetzung aus dem Deutschen.
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GentleTurn
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Re: Geweihbaum

Beitrag von GentleTurn »

Moin,

durch die Bilder aufmerksam geworden, kommt mir ein Baum in unserer Stadt ähnlich vor.
Er läuft aber unter dem Begriff Schotenbaum. Meine Frau, die in diesen Sachen fitter ist, sagt eben,
dass beide der gleichen Gattung angehören. Die Früchte sind wesentlich länger.
Liebe Grüße, Martin.

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Hölzerkarl
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Hölzerkarl »

Hallo Jürgen,
besten Dank für den interessanten und informartiven Beitrag zum Geweihbaum.

Ich füge Bilder meines Klotzes aus Geweihbaum an. Das gute Stück wartet auf die Bearbeitung.
In diesem Jahr nicht mehr......und im nächsten nicht gleich...

P1140955 (FILEminimizer).JPG
P1140955 (FILEminimizer).JPG (46.43 KiB) 7401 mal betrachtet

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Freundliche Grüße aus dem Hessenland

Der Karl
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Cello »

GentleTurn hat geschrieben: 25.10.2020 - 13:47:23
durch die Bilder aufmerksam geworden, kommt mir ein Baum in unserer Stadt ähnlich vor. Er läuft aber unter dem Begriff Schotenbaum. Meine Frau, die in diesen Sachen fitter ist, sagt eben, dass beide der gleichen Gattung angehören. Die Früchte sind wesentlich länger.

Hallo Gentleturn,

bei Deinem Baum handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Gleditschie (Gleditsia triacathos). Im Forum findest Du einige Beiträge über diesen Baum. Geweihbaum und Gleditschie gehören nicht zur gleichen Gattung, wohl aber zur gleichen Familie der Hülsenfrüchtler und zur gleichen Unterfamilie der Johannisbrotgewächse. Das ist aber überflüssiges Wikipedia-Wissen und für uns Holzverarbeiter nicht von Belang.

Im Foto siehst Du links die Frucht des Geweihbaumes und rechts die Frucht der Gleditschie mit Blatt. Dieses Blatt ist keine 20 cm lang, das des Geweihbaumes ist wenigstens 50 cm lang.

@branco
Ich habe leider kein Objekt, aber @Hölzerkarl hat ausgeholfen. Danke Karl!

@Helfried
Sind die Fotos in den letzten Tagen aufgenommen? Die Blätter sind erstaunlich grün, während sie bei uns schon abfallen. Eigentlich müsste es bei uns ja kälter sein als in Graz, weil wir näher am Nordpol liegen.

IMG_7369 (min).JPG
IMG_7369 (min).JPG (22.81 KiB) 7211 mal betrachtet

Gruß
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snakyjoe
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Re: Geweihbaum

Beitrag von snakyjoe »

Vielen Dank Cello,
ich wollte mich gerade hinsetzen und eine Frage zu einem Baum mit teilweise bis zu 25 cm langen Schoten stellen, den ich hier in Brandenburg schon oft sah.
Nun hast du mir mit dem Hinweis auf die Gleditschie schon auf die Sprünge geholfen.
Freundliche Grüße aus dem herbstlichen Nuthetal
Egbert
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Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Helfried »

Hallo Jürgen,
Sind die Fotos in den letzten Tagen aufgenommen? Die Blätter sind erstaunlich grün, während sie bei uns schon abfallen.
die Bilder sind vom 19. September dieses Jahres, ich wollte die riesigen Blätter in vollem Grün zeigen.
Jetzt ist bei uns im Süden auch schon alles gelblich.

Eine bemerkenswerte Erklärung für das überaus seltene Vorkommen des Geweihbaums habe ich auf der Seite der "Baumschule für Klimawandelgehölze"
von Lars Kasper (www.Klimawandelgehölze.de) gefunden:
Eigentlich war der Geweihbaum dem Ende und somit dem Aussterben geweiht. Er hat sich das Mastodon als Helfer für die Verbreitung ausgesucht. Dieser Vorläufer des Elefanten fraß die Früchte ganz, so dass die Magensäfte die harte Schale leicht angriffen (und damit die leichtere Keimung ermöglichten).
Mit den Ausscheidungen kam der Samen so in die perfekten Keimbedingungen. Da das Mastodon allerdings ausstarb, war der wichtigste Helfer weg.
Deshalb sieht man auch nie größere Bestände vom Geweihbaum.
Beste Wünsche

Helfried
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GentleTurn
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Re: Geweihbaum

Beitrag von GentleTurn »

Cello hat geschrieben: 26.10.2020 - 22:57:23
Im Foto siehst Du links die Frucht des Geweihbaumes und rechts die Frucht der Gleditschie mit Blatt. Dieses Blatt ist keine 20 cm lang, das des Geweihbaumes ist wenigstens 50 cm lang.

Moin Cello,

ja, das sind die langen Teile. Danke für die Info.
Liebe Grüße, Martin.

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Vollholzdrechsler
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Vollholzdrechsler »

Hallo zusammen,
habe im Frühjahr ein Stammstück von einem Geweihbaum bekommen.
Das ist leider die einzige Schale die ich davon habe.

Viele Grüße Edgar

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IMG-20201028-WA0002.jpg (72.45 KiB) 6895 mal betrachtet
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Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Helfried »

Liebe Leute,

Edgar, der [mention]Vollholzdrechsler[/mention] , hat ja mit seiner Schale einen schönen Schlußpunkt unter dieses feine, von Cello eröffnete Thema gesetzt.

Aber - ähnlich einem "Prequel", einem "Wie alles begann-Film", möchte ich doch noch ein paar Bilder anfügen, für botanisch Interessierte -
bitte nichts Gedrechseltes erwarten, sonst ist die Enttäuschung groß!

:-(

Freilich hatte ich ein "Henne - Ei" Problem bei meiner Dokumentation.
Was war zuerst?

Ich habe mich für den Mutterbaum entschieden, also die "Henne", im Grazer Stadtpark:
GB1_DSC02742w.jpg
GB1_DSC02742w.jpg (143.94 KiB) 6233 mal betrachtet

Dieser Baum ist geschätzt 15 Meter hoch, der Mammutbaum links ist deutlich höher, aber viel weiter hinten.

Heuer blühte er nur spärlich, im Gegensatz zum Vorjahr:

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GB2_DSC02681w.jpg (140.62 KiB) 6233 mal betrachtet



Mit einer kleinen Leiter komme ich den Blüten näher:

GB3_DSC02682abw.jpg
GB3_DSC02682abw.jpg (73 KiB) 6233 mal betrachtet

Nach ein paar Wochen (wir sind schon im Juli) bilden sich die Schoten:

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GB3_DSC02778w.jpg (100.91 KiB) 6233 mal betrachtet

Die dann im September so aussehen (dieses Bild hab ich weiter oben schon gezeigt, Entschuldigung, aber
der Vollständigkeit halber hier nocheinmal:

GB4_DSC01966abw.jpg
GB4_DSC01966abw.jpg (121.37 KiB) 6233 mal betrachtet

Die Schoten reifen und hängen dann sehr lang am Baum, kein Mastodon frißt sie mehr. Im Herbst ist das enthaltene Fruchtmark
noch frisch und gelblich, ich hab es verkostet und rate jedermann/-frau davon ab!
:no :-S
Es soll auch leicht giftig sein ...

GB5_DSC02762.JPG
GB5_DSC02762.JPG (42.57 KiB) 6233 mal betrachtet

Ein Größenvergleich der "Kentucky-Kaffeebohnen":

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GB6_DSC02770.JPG (84.36 KiB) 6233 mal betrachtet

Die Fortpflanzungsstrategie des Geweihbaumes, seine (angebliche) Abhängigkeit von der Verbreitung durch mittlerweilen
ausgestorbene Pflanzenfresser hat mich einfach fasziniert - mit Drechseln hat's ja wirklich nichts zu tun - und so wagte ich einen Versuch.
Nachdem mir die Zusammensetzung der Magensäfte des Mastodons unbekannt, die Verdauungs- und Ausscheidungsbedingungen dieser Urweltriesen also nicht nachzustellen waren, habe ich die harten Schalen der trockenen Bohnen mit Schleifpapier K 150 rundum angeschliffen.
Die Bohnen dann 2 Tage in Regenwasser quellen lassen.
Und am 27. Mai nicht in urzeitlichen Mammutdung, sondern in ganz gewöhnliche Gartenerde gesteckt.

Am 10. Juni schon löste sich die Spannung:

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GB7_DSC02671bw.jpg (75.13 KiB) 6233 mal betrachtet

Drei Tage später hatten sich die ersten Blättchen entfaltet:

GB8_DSC02700bw.jpg
GB8_DSC02700bw.jpg (69.72 KiB) 6233 mal betrachtet

Die Geweihbäumchen am 16. Juni:

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GB9_DSC02728w.jpg (116.8 KiB) 6233 mal betrachtet

Und weil wir alle so selten Gelegenheit haben, einen Wald aus Geweihbäumen von oben zu betrachten, dieses Bild vom 27. Juni:

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GB10_DSC02753w.jpg (219.05 KiB) 6233 mal betrachtet

Mittlerweilen bilden die Bäumchen schon einen prächtigen Urwald:

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GB11_DSC02805w.jpg (129.64 KiB) 6233 mal betrachtet

;-)

Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Hölzerkarl »

Hallo Helfried,
besten Dank für den schönen und interessanten Beitrag.
Wir haben wieder was hinzugelernt.
Von der Pflanze über den Baum zum Werkstück. Toll!

Freundliche und dankbare Grüße aus der Mitte von Deutschland

Der Karl
Mue
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Mue »

Hallo Helfried,

schön das die Samen gekeimt sind und ich hoffe für dich du findest ein schönes Plätzchen für die Bäume damit die sich auch zu stattlicher Größe entwickeln können.

Allein die "riesigen" Hülsen machen den Baum interessant.

Exkurs oder "off topic":

Deinen "organoleptischen" Test des Fruchtfleisches hätte ich in keinem Fall empfohlen!

Der Baum gehört zu den Hülsenfrüchtlern, diese sind oft ungenießbar bis giftig. Das hat einen evolutionären Hintergrund: Die Hülsenfrüchtler können mit Hilfe von Knöllchenbakterien an den Wurzeln Stickstoff aus der Luft binden (Daher kommen die auch oft an ärmeren Standorten vor).
Durch die Stickstoffbindung sind die Blätter auch etwas proteinreicher (Aminosäuren sind durch NH2-Gruppen gekennzeichnet, Aminosäureketten bilden Protein oder deutsch Eiweiß). Der höhere Proteingehalt macht sie bei Pflanzenfressern äußerst beliebt weshalb sich die Pflanzen mit Giften wehren (müssen).
Robinie und Goldregen als Beispiel, mit denen hat man als Drechsler öfter zu tun.

Viele Kulturpflanzen (Bohnen, Erbsen, Soja, Saubohnen, Lupinen, Klee...) gehören auch zu der Gruppe, dort sind die Giftstoffe entweder durch Zucht und Auslese zurückgedrängt oder die unerwünschten Stoffe werden durch Kochen/Erhitzen/Dämpfen inaktiviert.

Manfred
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Cello »

Hallo Helfried, hallo Manfred,

vielen Dank für eure tiefgründigen Beiträge. Nach Helfrieds Bauanleitung werde ich in diesem Jahr versuchen, einen Geweihbaum zu ziehen. Falls es nicht gelingt, kaufe ich mir eben eins. Ein Hirschgeweih. Sieht ja so ähnlich aus.

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Re: Geweihbaum

Beitrag von Helfried »

Liebe Leute,
Nach Helfrieds Bauanleitung werde ich in diesem Jahr versuchen, einen Geweihbaum zu ziehen.
verzeiht mir bitte noch einen winzigen Nachtrag zur Geweihbaumkeimung:
Als Perfektionist wollte ich natürlich gleich miterforschen, ob die Samen - wie so manche andere - eine gewisse Zeit der "Kältelagerung" benötigen, um zu keimen. Drei Bohnen hatte ich im Oktober gesammelt und in der nie wirklich kalten Werkstatt aufbewahrt, und fünf Bohnen erntete ich erst im April, nachdem sie in ihren Schoten am Baum dem Grazer Winter ausgesetzt gewesen waren.

Leider habe ich in dieser Angelegenheit völlig versagt!
Wie soll ich es sagen? Es ist einfach passiert: Beim "Anverdauen" der harten Schalen, beim Anschleifen also, hab ich sie durcheinander gebracht!

:-(

Von den insgesamt 8 gesteckten Bohnen sind genau 5 gekeimt - aber ich kann nur vermuten, welche ...

Dies zur ernsten Mahnung an alle Pflanzwilligen.

Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Mue »

Hallo Helfried,

die Kältebehandlung bringt bei trockenen und nicht angekeimten Śamen überhaupt nichts. Dafür muss aktives Gewebe vorhanden sein. Ein Same ist sozusagen ein Zeitkapsel die auf Kälte (mit normalen Wintertemperaturen) nicht reagiert. Kälte hatte da nur eingeschränkten Einfluss.

Die Keimung wird durch Feuchte, Temperatur und manchmal Licht induziert. Zusätzlich muss die Keimhemmung abgebaut sein ("Dormanz"), manche Samen keinem einfach nicht bei erster Gelegenheit, es könnte ja sein das noch eine bessere Vegetationsperiode folgt oder ein Feuer alles vernichtet.
Die Keimfähigkeit beträgt nie 100%, mit 8 Samen 5 Keimlinge sind ein gutes Ergebnis und völlig im Bereich des Normalen (abgesehen davon dass mit einer so geringen Anzahl Samen statistisch gesehen keine Aussage zu treffen ist, bei 1000 Samen wäre das Ergebnis so langsam einigermaßen zuverlässig...).

Der Kältereiz bewirkt in erster Linie den Übergang in die generative Phase ("Vernalisation"), d.h. die Blütenbildung wird induziert. Ohne diesen würde die Pflanze nur vegetativ weiterwachsen d.h. in erster Linie Blätter und Reservestoffe (z.B. Rüben) bilden.

Das Anverdauen kann sinnvoll sein, bei manchen Samen muss die Samenschale angekratzt oder "angegammelt" sein damit die Keimung erfolgt.

Also, alles gut so und im Bereich des Erwartbaren und viel Glück mit den Bäumchen!

Manfred
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Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Helfried »

Danke, Manfred,

für dein ausführliches Eingehen auf mein Experiment!
die Kältebehandlung bringt bei trockenen und nicht angekeimten Śamen überhaupt nichts. Dafür muss aktives Gewebe vorhanden sein.
Ein Same ist sozusagen ein Zeitkapsel die auf Kälte (mit normalen Wintertemperaturen) nicht reagiert. Kälte hatte da nur eingeschränkten Einfluss.
Und ich hatte geglaubt, endlich ein Zipfelchen des Schleiers gelüftet zu haben, der für mich über grundlegenden Vorgängen im Pflanzenreich ruht.
:-(

Ich fasse hiemit den Beschluss, Praktiker zu bleiben.

Solang es eben so gut funktioniert.

:-)

Helfried
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Re: Geweihbaum

Beitrag von Mue »

Hallo Helfried,

vielen Dank für das Lob!

Dafür lerne ich auch gern mehr über das Drechseln von den alten Hasen und Profis!

Manfred
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